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"Als TheologIn zum Traumjob" - Interview mit David Brähler

David Brähler ist Alumnus unserer Fakultät und Trainee Konrad-Adenauer Stiftung e.V., Europäische und Internationale Zusammenarbeit

03.06.2016

braehler2-klNetzwerkbüro: David, du bist schon recht weit rumgekommen nach deinem Diplomabschluss in Theologie und engagierst dich für die Alumni-Arbeit des Netzwerkbüros. Was kannst du denen empfehlen, die sich für Theologie interessieren?

David Brähler: Theologie lohnt sich. Sie gehört heute aber leider zu den „schwer erklärbaren Produkten“, wie es im Marketing heißt. Soll heißen, dass immer weniger Leute, auch Arbeitgeber, wissen, was sich hinter diesem Studium eigentlich verbirgt. Inhaltlich stellt dich das Studium aber gut auf: theoretische und praktische Fächer, Sprachen, gesellschaftliche Herausforderungen in den ethischen Fächern und eine ganze Reihe Begleitkompetenzen. Hier hat sich auch an der LMU in den letzten Jahren viel entwickelt, dank engagierter ProfessorInnen. Ich bin überzeugt, dass TheologInnen eben auch viel Psychologie und über den Umgang mit Menschen mit auf den Weg bekommen. All dies zusammen macht sie stark im Verbunddenken. Sie haben meist ein breites Allgemeinwissen und beobachten interessiert, was in der Welt passiert. Sie können Beziehungen herstellen und in der Problemanalyse oft mehr als mithalten. Was sehr oft dazu kommt und ebenso unterschätzt wie wertvoll ist, ist die meist höhere verbale Kompetenz. Denn was nutzt es, wenn man Probleme analysieren, aber die Lösung nicht kommunizieren kann? Wie jede Geisteswissenschaft, egal ob Soziologie, Kulturwissenschaften, Politik oder eben Theologie liefert das Studium der Theologie keinen berufsqualifizierenden Abschluss wie Jura oder Medizin. Alle Absolventen geisteswissenschaftlicher Studien müssen sich beruflich ihre Nische suchen und ein Kompetenzprofil entwickeln. Studien besagen, dass es durchschnittlich 2-3 Jahre dauert, bis AbsolventInnen der Geisteswissenschaften ihren Platz gefunden haben.

Netzwerkbüro: Was können Theologie-StudentInnen schon während ihres Studiums tun, um sich für den Arbeitsmarkt zu profilieren?

David Brähler: Ich empfehle jedem, so viele Praktika in Unternehmen, Verbänden, Stiftungen, bei Versicherungen, Personaldienstleistern, der Politik oder eben bei der Kirche zu machen wie möglich. Dies geht selbstverständlich auch im Ausland z. B. bei der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., um etwas Eigenwerbung zu betreiben. Jedes Praktikum und anschließend im besten Fall sogar eine Werkstudententätigkeit zahlt auf das berufliche Konto und die anschließend oft von Berufseinsteigern geforderte „Berufserfahrung“ ein. Jede Branche hat ihre „Währung“, die eine Art Eintrittsticket ist. In Ministerien ist es das Jurastudium, in der Wirtschaft der MBA. In der Breite gilt „Berufserfahrung“ als gängigste Währung, die Arbeitgeber überzeugt. Mit jedem Praxiseinblick kann die Richtung und der Berufswunsch präzisiert werden. Die spätere Bewerbung wird gegenüber dem Arbeitgeber „plausibilisiert“, wenn man durch ein Praktikum schon weiß, wie der Hase in einer Branche läuft. Praktika dienen dazu, systematisch Skills abzugreifen, die in einer Branche üblich sind. Die Lernkurve ist im ersten Monat meist sehr steil und lässt dann nach. Deshalb reichen oft 4-6 Wochen.

Netzwerkbüro: Wie können sich Studierende der Theologie zusätzlich aufstellen, um später berufliche Optionen zu haben?

David Brähler: An dieser Stelle möchte ich den StudentInnen vor allem Mut machen. Während der Bewerbungsphase für meinen ersten Job und seitdem habe ich TheologInnen in allen Branchen und an spannenden Schnittstellen unserer Gesellschaft kennen gelernt. Seien es Personalchefs, Leiter wissenschaftlicher Einrichtungen, Abgeordnete, Journalisten, IT-Spezialisten, Berater des Bundespräsidenten oder Manager des Jahres. Alle diese Leute haben irgendwann klein angefangen. Ich meine, als Theologie-StudentIn sollte man sich einerseits um Netzwerke bemühen. Unser Land funktioniert in Netzwerken und nur wer darin ist, versteht mehr Zusammenhänge und hat Kontakte. Ein Stipendium wäre also nicht schlecht, damit einhergehend vielleicht eine journalistische Ausbildung. Die journalistische Ausbildung kann man aber auch nebenbei absolvieren, z. B. beim ifp in München. Man sollte unbedingt an seinen IT-Kenntnissen arbeiten: Office, Web, soziale Netzwerke, da diese heute ebenfalls eine echte Währung darstellen. Fremdsprachen und Auslandserfahrungen bleiben hoch im Kurs, zwei Stationen reichen jedoch aus. Ich kenne aber auch TheologInnen, die ein Begleitstudium in Erwachsenenpädagogik oder in Palliativmedizin absolviert haben. Allen würde ich auf jeden Fall die Kurse des LMU Career Service empfehlen.

Netzwerkbüro: Wenn es dann in Richtung Bewerbung geht: Welche Strategien haben dir geholfen?

David Brähler: Wenn die Bewerbungsphase naht, gilt es endlich den guten Vorsatz makelloser Bewerbungsunterlagen in die Tat umzusetzen. Da diese Selbstpräsentation leider keine einmalige Angelegenheit ist, sondern die Unterlagen immer und immer wieder überarbeitet werden müssen, lohnt es sich, hier kompetente Hilfe zu suchen. Dies kann jemand mit erfahrenem Blick oder zunächst ein solider Ratgeber im Buchhandel sein. Dabei geht es um Format und Inhalt. Der Inhalt sollte schlüssig das „Woher“ und „Wohin“ mit einem ansatzhaft erkennbaren roten Faden erklären. Und zwar zugeschnitten auf das Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung.
Professionelle Personalberatungen sondieren dann mit einem Bewerber zunächst dessen Kontaktfeld. Aus diesem Kontaktfeld ist es am wahrscheinlichsten, dass Joboptionen entstehen. Leider musste ich in der Beratung von jungen TheologInnen feststellen, dass die meisten sich entweder ihres eigenen Outreachs nicht bewusst sind, oder wenige Kontakte zu schnell verbrennen, indem sie sie überstrapazieren. In dieser Phase geschieht bei BewerberInnen psychologisch oft folgendes: sie fühlen sich weder als Fisch noch Fleisch, soll heißen, da sie nicht mehr zur Uni aber auch noch zu keiner Firma gehören, entwickeln sie schnell Ängste und Minderwertigkeitsgefühle im luftleeren Raum zu schweben. In meiner Beratungspraxis trainiere ich deshalb das Gegenteil: Hinausposaunen, dass der Bewerber endlich auf dem Markt ist, anstatt sich zurückzuziehen und Angst vor jeder Absage zu entwickeln. Das Einstellen von Onlineprofilen in beruflichen Netzwerken ist dabei genauso eine Option, wie das persönliche Anschreiben von Multiplikatoren des eigenen Kontaktfeldes, die mich unterstützen, weil sie mir vertrauen. Bei mir waren zudem jene Kaltakquisen erfolgreich, in denen ich mich einem möglichen Multiplikator, Berater oder sogar Arbeitgeber auf der sachlichen Ebene näherte und z. B. immer schon einmal erfahren wollte, wie ein Manager in seinem Bereich arbeitet. Ich glaube, dass es in uns Menschen steckt, jungen, sympathischen Leuten, die sich für unsere Arbeit interessieren, einfach gerne helfen zu wollen. Auf diese Weise ergaben sich für mich viele wertvolle Orientierungs- und Informationsgespräche und man bleibt für eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit im Gedächtnis. Geduld gehört dazu. GeisteswissenschaftlerInnen sind durchschnittlich sechs bis neun Monate auf dem Markt, bevor sie etwas finden. Bei PromovendInnen kann es je nach Spezialisierung manchmal bis zu 18 Monaten dauern.

Netzwerkbüro: Welche Stellen sollten junge Absolventen denn anpeilen?

David Brähler: Der Traum von einer sofortigen Festanstellung ist leider ein doppelter Anachronismus. Einerseits gibt es ihn für junge Geisteswissenschaftler nicht, andererseits, ist er überhaupt in den meisten Branchen obsolet und bei jungen Leuten teilweise auch gar nicht gewollt. Aufgrund der mit der ersten Stelle beginnenden Gehaltshistorie sollten sich TheologInnen aber auch nicht unter Wert verkaufen. Lieber ein gutes Praktikum, wenn anschließend eine Entwicklung in Richtung fester Anstellung absehbar ist. Mehr Spielraum bietet ein Trainee-Programm, bei dem die BewerberInnen in viele Abteilungen Einblick erhalten und auf Führungsaufgaben vorbereitet werden. Hier ist die Konkurrenz aber groß. Neben der Seelsorge und Wissenschaft sind für TheologInnen u.a. die Bereiche Bildung, Medien, Politik, Gesundheitswesen, NGOs und z. B. Hilfswerke attraktive zukünftige Arbeitsfelder. Eine Suche nach einer Junior-, Geschäftsleitungsassistenz-, oder sogar Referentenstelle in diesen Bereichen sind weitere Alternativen zu Praktikum und Traineeship. Neben dem Sondieren des persönlichen Kontaktfeldes und dem „Sich-suchen-lassen“ über Einträge bei Personalberatungen gibt es die großen Jobsuchmaschinen, die klassischen Zeitungsanzeigen - auch online - und Spezialverteiler wie z. B. Wila Bonn. Bewerben ist eine Wissenschaft für sich. Deshalb lohnt es, sich schon in den ersten Semestern über den Kurs der eigenen Karriere Gedanken zu machen und diesen gezielt anzusteuern oder zumindest über das Sammeln von Qualifikationen, Wege zu eröffnen.

Netzwerkbüro: Lieber David, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, die hilfreichen Tipps und dein Engagement für das Netzwerkbüro.